Berlin am Morgen, Welt am Abend – Im Licht und Schatten einer Weltstadt

8. Weltkongress der IAH, 1931

Anfang Dezember 1918 steigt Münzenberg aus einem überfüllten Zug. Zum ersten Mal in der Hauptstadt, dem neuen Zentrum der Revolution. Sein Ziel – eine von ihm initiierte internationale Jugendkonferenz am 7. Dezember. Sein Gepäck – ein Mandat zur ersten Reichskonferenz der Arbeiter- und Soldatenräte am 16. Dezember. Sein erster Weg – zum Büro des Spartakusbundes. Seine erste Begegnung – Luxemburg und Jogiches. Seine Ernüchterung – sieben Konferenzteilnehmer. Sein Entschluss – Verlegung des internationalen Jugendsekretariats nach Berlin. Sein großer Auftritt – Kundgebung mit Liebknecht am 18. Dezember. Kurz danach muss er nach Stuttgart zurück, wo er erneut verhaftet wird.

Sein richtiges Berliner Leben beginnt am 20. November 1919 im Hinterzimmer einer Berliner Kneipe beim ersten internationalen Kongress der Kommunistischen Jugendinternationale.

Fortan finden Münzenbergs Aktivitäten in Berlin ihren Ausgangs- und aus dem Exil ihren Zielpunkt. Hier befindet sich die sowjetische Botschaft. Hier nimmt die IAH ihren Sitz. Hier ist er Abgeordneter im Reichstag. Hier sitzt er im Zentralkomitee der KPD. Hier organisiert, initiiert, kauft, verkauft, gründet, leitet er. In dieser Medienstadt erscheinen „seine“ Bücher, Zeitungen und Zeitschriften. Hier ringt er mit der Zensur um die Uraufführung sowjetischer Filme. Hier rechnet er, gibt aus, nimmt ein. Auf ihren Straßen demonstriert er. In ihren großen Festsälen, Varietés, Opern agitiert und propagiert er. In ihren Cafés, Hotels, Büros sucht, gewinnt, überzeugt er Autor:innen, Künstler:innen, Intellektuelle, Partner. Hier findet er seine Adressat:innen. Hier irrt er, erleidet Niederlagen. Hier wird er missverstanden, beargwöhnt, kritisiert, angegriffen, diffamiert.

Kundgebung der IAH im
Berliner Sportpalast, 1932

Hier residiert er mit seiner Frau Babette Gross im Institut für Sexualwissenschaft. Hier liest, genießt, feiert er. Dieses disparate Berlin ist seine Bühne. Von hier reist er in die Welt. In dieser Stadt entspringt die Legende vom „Roten Millionär“ und seinem „Münzenberg-Konzern“.

„Zum erstenmal betrat er das ‚Berliner Pflaster‘ mit dem festen Vorsatz dort zu bleiben. Er war vom Tempo der Hauptstadt begeistert. ‚Die einzige Stadt, in der man arbeiten kann‘, nannte er sie. Die Berliner hatten viel von dem, was Münzenberg schätzte, rasche Auffassungsgabe, trockenen Humor und weltstädtische Umgangsformen.“
Babette Gross, Willi Münzenberg, 1967

 

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