Das Verschwinden des Willi Münzenberg – Vom Verdrängen und Vergessen

Ein Vertreter der SED legt Blumen ans Grab von Münzenberg, 1989

Es sind die selben Kräfte, deren Zangengriff zum Ende Münzenbergs führte, die nach 1945 in Ost und West durch Verschweigen, Verleugnung und Diffamierung die Erinnerung an Münzenberg und sein Wirken langsam Vergessen machen.

Auf dem Vereinigungsparteitag von KPD und SPD 1946 zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) ist dieser bei der Erinnerung an ihre ermordeten Repräsentant:innen keine Erwähnung wert. Ungeachtet dessen greift diese Partei bei ihrer Namensgebung und der ihrer Tageszeitung unmittelbar auf Begriffe aus Münzenbergs Die Zukunft zurück. Auch in Agitation und Propaganda sowie deren Mittel und Methoden sind die Referenzen an seine Arbeit unverkennbar.

Selbst bei der Mitte der sechziger Jahre einsetzenden Aufarbeitung der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung findet Münzenberg nur neben vielen anderen Erwähnung.

Geschichte der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung [AIZ] 1921-1938, Heinz Willmann
In der 1974 erschienenen Geschichte der AIZ lässt dann deren Autor Willmann alle Hemmungen fallen und formuliert in einer Fußnote: „Nach Errichtung der faschistischen Diktatur emigrierte er nach Paris … Doch entfernte er sich seit 1936 von der KPD und vom Marxismus-Leninismus. Wegen seines prinzipienlosen Kampfes gegen die KPD und die Kommunistische Internationale wurde er im März 1938 aus dem ZK und ein Jahr später aus der KPD ausgeschlossen. Er entwickelte sich danach zu einem extremen Antikommunisten.“ (Geschichte der Arbeiter-Illustrierten Zeitung, 1921–1938)

 

Erst im August 1989 zum 100. Geburtstag schickt das Zentralkomitee der SED einen Vertreter der DDR-Botschaft in Frankreich nach Montagne. Zur gleichen Zeit erscheint in Neues Deutschland eine Serie zu Münzenberg. In den Zeiten des stürmischen Herbstes gehen Neubewertung und Hintergründe jedoch unter. Münzenberg verschwindet ein weiteres Mal. Daran ändert auch das 1991 erschienene Buch Münzenbergs Ende von Harald Wessel nichts.

Im Westen können zwar Erinnerungsbücher früherer Kampfgefährt:innen, darunter 1967 eine von Babette Gross verfasste Biografie, erscheinen. Das ändert nicht, dass diejenigen, die Münzenberg vor und nach 1933 bekämpften und nach 1945 immer noch oder wieder in relevanten Positionen des restaurierten deutschen Staates sitzen, keinen Anlass sehen, an ihn zu erinnern. Im Gegenteil.

 

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